Ich komme hierher, um Freunde zu treffen

Mit etwas Bauchweh trat ich meine Reise zu meinem ersten physischen Board-Meeting des Weltamateurtheaterverbandes an. So eine weite Reise in ein Land, in dem ich noch nie gewesen bin … ganz allein … der ökologische Fußabdruck, den ich mit dieser Reise unweigerlich hinterlassen würde … das Meeting könnte ja auch per Videokonferenz stattfinden. Das alles ging mir durch den Kopf, bevor ich die Reise endlich antrat. Dazu kam, dass genau in der Zeit, in der das Meeting stattfand, im TPZ die Aufführung von „Vor Tau und Tag“ passierte, bei der ich unendlich gern dabei gewesen wäre.

Aber es musste nun mal sein. Mitgehangen, mitgefangen. Wer A sagt, muss auch … oder wie die ganzen Sprüche lauten. Anders formuliert: Wenn ich schon international mitmischen will, dann muss ich auch zu den Meetings kommen.

Und so trat ich meine Reise nach Midland Texas an. Als mich der nette Beamte am Flughafen fragte, warum meine erste Amerikareise mich ausgerechnet nach Midland führte, wollte er mir das mit dem Board-Meeting des Weltamateurtheaterverbands nicht abkaufen und lachte mich aus. Als ob sich die Theaterwelt ausgerechnet dort treffen würde …

 

Zur Information: Midland liegt mitten im Permian Basin, das durch Erdölfunde reich geworden ist. Es ist bretteben, trocken und heiß, wachsen tut kaum etwas. Früher sind wohl die Tumbleweeds, die Bälle von getrocknetem Gras, durch die Gegend gerollt. Erdölpumpen sind das Einzige, was sich von der Landschaft abhebt – wenn man von den paar höheren Häusern in Downtown absieht, die der Stadt den Namen „Tall City“ verpasst haben. Nicht wirklich ein Tourismusmagnet …

 

Mit Jetlag und immer noch hundemüde ging es am nächsten Tag gleich los. Unter dem Vorsitz von Aled Rhys-Jones wurden drei volle Tage mehrere Punkte behandelt. Vor allem ging es darum, welche Anreize wir als Vorstand neuen oder bereits bestehenden Mitgliedern bieten können.

Die Arbeit war sehr effizient und spannend und es war tatsächlich sehr viel einfacher, über all diese Punkte von Angesicht zu Angesicht zu diskutieren. Auch in den Pausen bzw. während des Rahmenprogramms ging das Nachdenken und Ideenspinnen weiter. Masterclasses, verschiedenartige Workshops, eine Neuauflage der Online-Tagung „Raise the curtain“ wurden auf den Weg gebracht. Sofia Weigelius aus Finnland stellte eine neue Funktion der Website dar, auf der sich alle interessierten Bühnen eintragen und vernetzen können (auch Nicht-Mitglieder). Und es gab noch viele weitere Diskussionspunkte, über die ich noch nichts verraten darf.

Sofia Weigelius - Finnland, Patrick Schoenstein - Frankreich, Kelli McLoud-Schingen - Oklahoma, Aled Rhys-Jons - Wales, Anne Gilmour - England

Auch für das TPZ habe ich sehr viel gelernt. Das Midland Community Theatre ist ein Amateurtheater in einer für uns unvorstellbaren Dimension. Es gibt einen Spielplan, der etwa acht Produktionen im Jahr umfasst, die alle auf höchstem künstlerischen Niveau sind. Gespielt werden vor allem publikumswirksame Klassiker wie „Alice im Wunderland“ oder „Die Adams Family“ oder Bühnenversionen der Blockbuster aus Hollywood. Das alles funktioniert nur durch einen riesigen Pool von Volunteers. Über hundert Menschen stehen für die verschiedensten Arbeiten zur Verfügung – unter anderem für die Bespaßung von uns Gästen. Jeden Tag kam jemand, um uns bei unseren Gastfamilien zu holen, selbst gekochtes Essen wurde aufgetischt und andere Freiwillige führten uns in Midland herum und zeigten uns unter anderem das Yucca Theatre, das aus den Sechzigern stammt und seit damals nicht verändert wurde. Es ist das einzige noch voll funktionsfähige Theater aus dieser Zeit in den USA und hat ein für uns Europäer skurriles Konzept.

Yucca-Theatre in Midland

Unsere beiden Betreuerinnen Lauren und Hannah sprachen die ganze Zeit davon, dass die „Summer Mumers“, die wohl irgendwie zum Midland Comunity Theatre gehören, jeden Abend zweitausend Dollar in Popcorn machen. Ich dachte zuerst, ich hätte etwas falsch verstanden. Dann aber wurden wir in das besagte Theater geführt, wo in den kunstvoll geschnitzten Figuren Popcorn-Kügelchen hingen. Es stellte sich heraus, dass meine Interpretation doch richtig gewesen war. Die Zuschauer kaufen vor der Aufführung eimerweise Popcorn und werfen es dann auf die Spieler. Nach der Vorstellung liegt das Zeug kniehoch im Theater. Ein Riesenspaß, behauptete Lauren, die uns dann auch die Popcornmaschine vorführte … Das Popcorn wird nachher übrigens von Farmern abgeholt und an Hühner und Schweine verfüttert.

Für mich als Europäerin, wo man sich als Zuschauer:in im Theater still verhält, allerhöchstens am Ende brav klatscht, war das eine sehr skurrile Vorstellung. Wer mehr über die Summer Mummers wissen will, kann hier kurz reinschauen:

Midland Comunity Theatre

Wo wir gerade beim Theater sind. Tim Jebsen führte uns natürlich auch durch sein Theater. Es war sehr beeindruckend, zu sehen, was sich die Gruppe hier aufgebaut hat. Zwei voll funktionsfähige Bühnen – ein Saal fasst etwa 600 Zuschauer, der andere nicht ganz zweihundert –, mehrere perfekt ausgestattete Probenräume, ein Fundus mit angeschlossenem Kostümverleih, von man nur träumen kann, dazu eine Schneiderei und noch andere Räume, in denen “Education Programme” stattfinden. Wir selbst hielten uns meistens im Sitzungssaal auf und wurden dort durch Leckereien und Kaffee bei Laune gehalten …

 

Schnappschuss aus der Aufführung von “Sound of Music”

Eine etwas größere Keksform - mit dieser Form wurde der größte Toffee der Welt gebacken. Die dazugehörige Frau, Suzie, ist Vorbild für viele Frauen und Besitzerin der Kirchenbank, in der George W. Bush gesessen hat.

… bis auf die Abende. Ein echtes Texas-Barbecue, Axtwerfen, Flamenco-Tänzerinnen und eine Mariachi-Band, eine wirklich fantastische Aufführung von „Sound of Music“, der Besuch in einer Süßigkeiten-Manufaktur und einer Bierbrauerei und zum Abschluss ein mexikanisches Essen und ein weihnachtliches Symphoniekonzert. Das alles hatten sich unsere Gastgeber für uns einfallen lassen.

Abends hielt uns dann noch die Weihnachtsbeleuchtung bei Laune.

Vieles von dem, was in diesem Meeting entstanden ist, werdet ihr vielleicht erst in einem zweiten Moment erfahren, aber seid sicher: Es war eine wirklich bereichernde Erfahrung. Für mich als Person, aber noch mehr für das TPZ und das Amateurtheater in Südtirol. Ich werde berichten!

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